Lade-Falle im Urlaub: Fahrer zahlt 200 Euro für 300 Kilometer Reichweite - EFAHRER.com

2022-12-02 18:07:48 By : Mr. YXH Packaging

Da staunte ein deutscher Elektroautofahrer nicht schlecht: Bei der Rückkehr aus dem Italienurlaub legte Manuel Neitzel mit seiner Familie einen Übernachtungsstopp in Nordbayern ein. Seinen Stromer ließ er über Nacht an einer Ladestation stehen – und sollte über 195 Euro für 57,5 geladene kW bezahlen.

Manuel Neitzel war immer ein Verbrenner-Fahrer. Rasch steigende Spritpreise bewegten den Familienvater aber in diesem Jahr dazu, auf Elektroantrieb umzusteigen: Die Wahl fiel auf einen Hyundai Kona mit 64 kWh großer Batterie – und Neitzel ist mehr als zufrieden mit dem Fahrzeug. Genügend Zeit, um sich mit dem Wagen vertraut zu machen, hatte er jedenfalls schon: Der Norddeutsche ist als Vertriebsmitarbeiter für einen Schweizer Lautsprecherhersteller viel im Inland und Ausland unterwegs; seit er seinen bonbonblauen Kona im Juli 2022 bekam, hat er knapp 17.000 Kilometer mit dem Stromer zurückgelegt.

Im Oktober kamen ein paar Tausend weitere Kilometer hinzu, als Neitzel gemeinsam mit seiner Familie in den Italienurlaub fuhr. Die Ladesituation dort sei teilweise undurchsichtig gewesen, die ein oder andere öffentliche Ladestation in Italien habe einen Defekt gehabt, wie Neitzel im Gespräch mit EFAHRER.com berichtet und wie auch Ex-VW-Chef Herbert Diess schon zu bemängeln wusste. Neitzel hatte jedoch die funktionierenden und passend gelegenen Stationen in seinem Google Maps-Profil eingespeichert, sodass der Urlaub insgesamt reibungslos und stressfrei verlief.

Das erste große Ladeproblem stellte sich dann auch tatsächlich erst ein, als Neitzel und seine Familie bereits wieder auf dem Rückweg mitten in Deutschland waren: Die Familie hatte eine Übernachtung in Rothenburg ob der Tauber eingeplant. Dabei musste Neitzel zunächst feststellen, dass öffentliche Ladestationen in der malerisch-mittelalterlichen Stadt Mangelware sind.

Auf dem Gelände eines VW-Händlers am Stadtrand von Rothenburg wurde Neitzel mithilfe seiner Charge Finder App aber fündig: Die Ladestation bot immerhin 22 Kilowatt Leistung und konnte mit seiner „Charge myHyundai“-Ladekarte gestartet werden. Das Display zeigte Neitzel zufolge lediglich den Hinweis „Ladevorgang gestartet“, Preisinformationen seien an der Ladestation nicht ersichtlich gewesen. „Wir ließen unser Auto dort, liefen zu unserem Hotel und fuhren am nächsten Morgen mit voll geladenem Akku weiter“, erzählt Neitzel – so weit, so gut. Bis die Rechnung für den Ladevorgang ins Haus flatterte: Neitzel sollte für die über Nacht geladenen 57,5 kWh stolze 195,30 Euro bezahlen. Das wären knapp 3,40 Euro pro Kilowattstunde, ein Wert, der selbst in Zeiten steigender Ladepreise horrend erscheint.

Nach einer Anfrage bei Hyundai und einem kurzen Hin und Her via E-Mail wurde Neitzel jedoch klar, dass er einen kleinen, aber besonders wichtigen Punkt in den Tarifbestimmungen von Charge myHyundai übersehen hatte: Eine relativ hohe und nach oben nicht gedeckelte Blockiergebühr für die Ladestation. Nach 90 Minuten Ladezeit verlangt Hyundai für jede weitere Minute zusätzliche 20 Cent. Neitzel startete den Ladevorgang kurz nach 18 Uhr und holte seinen Wagen am nächsten Tag morgens um halb neun wieder ab – somit wurden deutlich mehr als 100 Euro an Blockiergebühren fällig.

Hyundai ist mit den Blockiergebühren natürlich nicht alleine: So gut wie alle Ladenetzbetreiber verlangen diese Gebühren, wenn E-Autofahrer ihr Fahrzeug nach Abschluss des Ladevorgangs oder nach einem festgelegten Zeitraum weiter an der Ladestation belassen.

So ist es beispielsweise auch beim größten deutschen Ladenetzbetreiber EnBW: Bei Ladevorgängen, die mit EnBW mobility+ getätigt werden, fällt nach 240 Minuten – also vier Stunden – eine automatische Blockiergebühr an. Diese liegt bei 10 Cent pro Minute. Ein Wert, der sich als branchenüblich etabliert hat: Auch bei Shell Recharge, bei Ionity und bei vielen lokalen Versorgern beträgt die Blockiergebühr 10 Cent pro Minute. Bei den meisten Versorgern ist diese Gebühr gedeckelt – bei EnBW und Shell beispielsweise auf 12 Euro. Oft wird zudem in der Zeit von 23 bis 7 Uhr keine Blockiergebühr berechnet.

Hier tritt Hyundai deutlich drakonischer auf: Die Blockiergebühr setzt nicht erst nach vier Stunden ein, sondern schon nach 90 Minuten an der Ladesäule. Sie wird auch nachts berechnet, zudem ist sie nicht gedeckelt und mit 20 Cent pro Minute auch noch doppelt so hoch wie bei vielen Mitbewerbern. Auch BMW Charging berechnet nach 90 Minuten an einer Schnellladesäule 20 Cent pro Minute. Noch teurer kann es bei Tesla werden: An den Superchargern des Elektroautobauers wird eine Blockiergebühr berechnet, sobald der Ladevorgang beendet und falls die Supercharger-Station mindestens zur Hälfte ausgelastet ist. Dann sind 50 Cent pro Minute fällig. Wenn die Ladestation komplett ausgelastet ist, beträgt die Gebühr sogar einen 1 Euro pro Minute – ohne einen Kostendeckel.

Für Neitzel war das ein Schock: Der Kona-Fahrer lädt meistens an der heimischen Wallbox, hatte sich über die Blockiergebühren keine Gedanken gemacht. „Das war mein Fehler, weil ich die Geschäftsbedingungen nicht genau gelesen habe“, räumt Neitzel ein. Und dennoch: Über den fehlenden Kostendeckel ließe es sich vortrefflich streiten.

Neitzel zufolge hat das kostspielige Intermezzo seiner Freude am elektrischen Fahren allerdings keinen Abbruch getan: Der Norddeutsche ist weiterhin begeistert von seinem Hyundai Kona und dessen Beschleunigung. Auch der nächste Wagen soll ein E-Auto werden. Dann soll es für den Vielfahrer allerdings etwas Langstreckentauglicheres werden – beispielsweise der Kia EV6, der mit rund 470 Kilometern Reichweite noch etwa 70 Kilometer mehr verspricht, als Neitzel mit seinem Kona im Durchschnitt erzielt. Zudem würde die 800-Volt-Technik des EV6 deutlich kürzere Ladestopps ermöglichen.

Am allerliebsten wäre Neitzel jedoch ein Auto, dessen Batterie mindestens 100 kWh Fassungsvermögen hat. Das haben bisher allerdings nur der deutlich teurere Mercedes-Benz EQS 450+ und der ebenfalls kostspielige BMW iX xDrive 50 zu bieten. Deshalb will Neitzel vielleicht auch einfach noch etwas warten und den Markt beobachten, bis er sich ein neues E-Auto zulegt. Die Gefahr überhöhter Blockiergebühren wird er dabei sicherlich im Hinterkopf behalten.

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