So wird die Herkunft des Ladestroms transparent - Tagesspiegel Background

2022-12-02 18:14:35 By : Mr. Jimmy Deng

Der geladene Strommix hat den größten Einfluss auf die CO2-Bilanz eines Elektroautos in der Nutzung. Allerdings lässt sich in Deutschland nur selten nachweisen, welcher Strom gerade geladen wird. Für einen einfachen Nachweis gibt es technische Lösungen, nun muss die Politik die Rahmenbedingungen schaffen.

Sie lesen einen kostenfreien Artikel vom Tagesspiegel Background. Testen Sie jetzt unser werktägliches Entscheider-Briefing und erhalten Sie exklusive und aktuelle Hintergrundinformationen für 30 Tage kostenfrei.

13 Uhr, die Sonne steht im Zenit. Die Photovoltaik-Anlage (PV-Anlage) auf dem Hausdach produziert jetzt am meisten Strom – und leitet ihn direkt weiter in die Tiefgarage. Hier steht eine Flotte von E-Autos von Arbeitnehmern, Anwohnern und Kunden. Die Lade-App zeigt grün, zur Mittagszeit kann man besonders günstig und nachhaltig laden. Zudem erläutert die Applikation, von welcher Anlage der lokal erzeugte Strom stammt, welcher Anteil aus dem Netz ergänzt wird und welche CO2-Emissionen bei der Produktion entstanden sind.

Der Inhaber der PV-Anlage kann wiederum lückenlos und automatisch nachweisen, woher der abgegebene Strom stammt und an wen dieser zu welchem Preis abgegeben wurde. Am Ende des Jahres bilden die Daten ganz unkompliziert die Grundlage für das Nachhaltigkeitsreporting des Unternehmens.

Die aktuelle Situation in Deutschland sieht leider anders aus. Intransparenz und eine geringe Automatisierung überwiegen. Während Heim-Ladelösungen in Verbindung mit PV-Anlagen schon vielerorts angeboten werden, ist die Kopplung von lokaler Stromerzeugung und Ladeinfrastruktur im öffentlichen und halböffentlichen Raum, wie beispielsweise in Tiefgaragen, noch Mangelware.  Das Problem: E-Autos, Solaranlagen und Ladesäulen werden vielerorts in getrennten Systemen verwaltet.

Jede Registrierung erfolgt händisch mit viel Papieraufwand. Zudem sind zwischen Ladesäulenbetreibern und E-Autofahrern verschiedene Dienstleister zwischengeschaltet. Bisher fehlen verlässliche digitale Abrechnungs- und Verwaltungsprogramme, die Daten für Stromerzeugungsanlagen, Ladestationen, Gebäudemanagement und E-Autofahrer bündeln und automatisierte Geschäftsprozesse unterstützen. Ein Wirrwarr an Verträgen und Abhängigkeiten, das viel Zeit kostet und das Laden von lokal erzeugtem Strom verhindert.

Geladenen Solarstrom mit digitalen Identitäten verifizieren

Das in München vom Digital Hub Mobility durchgeführte Pilotprojekt „Trusted Green Charging“ zeigt erstmals, wie eine automatisierte, vertrauenswürdige Infrastruktur für nachhaltiges Laden funktionieren kann. Im Zentrum der Lösung steht eine einfache Anwendbarkeit über Systemgrenzen hinweg. Deshalb brachte das Team des Digital Hub Mobility relevante Unternehmen aus der Energie-, Tech- und Verkehrsbranche zusammen: Softwareentwickler SAP, Chiphersteller Infineon, die Energy Web Foundation und bloXmove, zwei Anbieter von Blockchain-Technologien, sowie die E-Mobilitäts-Start-ups ChargeX und TRONITY. Gemeinsam entwickelten sie einen Prototyp, der auf drei Bausteinen basiert:

In der Praxis werden alle beteiligten Maschinen mit digitalen Identitäten ausgestattet und an die „Energy Web Chain” geknüpft. Das ermöglicht es, alle Stromerzeugungs- und Ladedaten in Echtzeit zwischen den Systemen zu teilen: Die örtliche Solaranlage, die verfügbaren Ladestationen, das Lademanagementsystem sowie die verwendeten E-Autos über die Lade-App. Ist Solarstrom verfügbar, informiert der Stromzähler die E-Autofahrer per Applikation.

Am Ende jedes Ladezyklus wird der Strommix berechnet und die Authentizität des, in diesem Fall, nachhaltigen Solarstroms durch eine Signatur der Transaktion belegt. Die Menge des geladenen Stroms sowie alle abrechnungsrelevanten Daten der Ladevorgänge können anschließend im Lademanagementsystem sowie in der Lade-App gelesen und beispielsweise zur offiziellen Berichterstattung an Behörden genutzt werden.

Anreize für lokal produzierten Strom schaffen

Die Mobilitätswende ist untrennbar mit der Energiewende verbunden und beide Systeme müssen clever und herstellerübergreifend verknüpft werden. Ein Weg ist die standardisierte Integration Hardware-gestützter digitaler Identitäten und einer dezentralen Dateninfrastruktur. Gemeinsam schaffen sie ein vertrauenswürdiges Netzwerk für nachhaltige Stromerzeugung und grünes Laden über System-, Regulations- und Ländergrenzen hinweg.

Einmal umgesetzt, kann das Netzwerk schnell skaliert werden. Damit das Laden von lokal erzeugtem Strom aus dem Carport in die öffentliche Garage kommt, muss die Politik nun nachziehen und regulatorische Rahmenbedingungen schaffen, die den Ausbau wirklich grüner Ladeinfrastruktur begünstigen. Dann landet die Mittagssonne bald deutschlandweit und darüber hinaus im Tank.

Johanna Bronisch ist Innovation Technologist beim Digital Hub Mobility von UnternehmerTUM und Partnerin im Zukunftscluster MCube der Technischen Universität München. Sie stellt am 23.11. auf dem Symposium „Klimaverträgliche Mobilität“ des Digital Hub Mobility das Projekt vor.

Sie lesen einen kostenfreien Artikel vom Tagesspiegel Background. Testen Sie jetzt unser werktägliches Entscheider-Briefing und erhalten Sie exklusive und aktuelle Hintergrundinformationen für 30 Tage kostenfrei.

Die Elektromobilität ist ein wichtiger Baustein der Mobilitätswende. Millionen von E-Autos werden künftig über das Stromnetz geladen werden. Damit die Versorgung...

von Heike Kerber, VDE FNN

Eine uneindeutige Formulierung in der Ladesäulenverordnung macht offenbar die Abrechnung von THG-Quoten für private Wallboxen möglich. Das ist nicht im Sinne des...

von Dennis Schneider, M3E

Das Interesse an E-Autos hat angesichts der Spritpreise einen neuen Höhepunkt erreicht. Doch bei konkretem Kaufinteresse verfliegt die Euphorie angesichts von langen...

von Christoph Stricker und Marcus Weller, Abteilung Betriebs-/Volkswirtschaft und Fabrikate im Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK)